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ADHS & ADS bei Frauen | Symptome und Besonderheiten

Wenn das "Zappelphillip"-Syndrom sich durch starke Emotionen, Überforderung und tiefe Erschöpfung zeigt.


Eine britische Studie zu AD(H)S bei Frauen (aus dem Jahr 2020) hat ergeben, dass im Kindesalter eher Jungen mit der ADHS-Symptomatik auffallen / Schwierigkeiten haben, aber im Erwachsenenalter es eher die Frauen sind, die unter der Symptomatik leiden. (1)







In diesem Artikel erfährst Du:








Fangen wir mit den Grundlagen an.


#1: ADHS / ADS was ist das?


Die geläufigste Definition für das Aufmerksamkeitsdefizit (Hyperaktivität) -Syndrom ist, dass es sich um eine neurobiologische Erkrankung handelt, bei der es zu einer teils veränderten Informationsübertragung zwischen Nervenzellen im Gehirn kommt. ADHS wird in der Literatur aber auch als Verhaltensstörung definiert.



Die diagnostischen Kernsymptome/ Kriterien, sowohl für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind u.a.:

  • Aufmerksamkeitsstörungen

Erhöhte Ablenkbarkeit

Desorganisation

Vergesslichkeit

  • Hyperaktivität

Körperliche Unruhe

Unfähigkeit sich zu entspannen

Schwierigkeiten sitzende Tätigkeiten auszuführen

  • Impulsivität

Aufgaben werden nicht zu Ende gebracht

Verminderte Frustrationstoleranz

Ungeduld

Impulsive Käufe, Unterbrechen anderer im Gespräch

….

 

ADHS-Typen

Dabei werden 3 Erscheinungsformen diagnostisch unterschieden, zum einen

  • ADS ohne körperliche Hyperaktivität, der “verträumte Typ” wird auch hypoaktiv genannt

  • ADHS mit Ausprägung der körperlichen Hyperaktivität und die

  • Mischform, bei der sich hyperaktive Tendenzen zeigen, aber nicht permanent präsent sind.

 

Bevor ich weiter auf die Besonderheiten von AD(H)S bei Frauen eingehe, möchte ich meine persönliche Sicht auf ADHS zeigen.


Nach meinem Verständnis gehört die Art wie das ADHS-Gehirn funktioniert, zur Vielfalt des menschlichen Seins (Neurodiversität) und ich verstehe das Aufmerksamkeitsdefizit per se nicht als Krankheitsbild. Da es sich um ein Spektrum handelt, gibt es natürlich auch hier so starke Ausprägungen der Symptomatik, dass diese Krankheitswert haben. Was meiner Erfahrung nach jedoch Ausnahmen sind. Auch die amerikanische Psychologin und Spezialistin für ADHS/ADS bei Frauen, Dr. Patricia Quinn, formuliert es so,


dass ADHS/ADS bei Frauen durchaus als “Lebensbewältigungsstörung” verstanden werden kann, anstatt einer psychischen Krankheit.

#2: ADHS / ADS bei Frauen | 8 Symptome

erschöpfte Frau mit ADHS


AD(H)S bedeutet für Frauen vor allem eins...
... einen enormen Energieaufwand!

Das Erleben einer Frau mit AD(H)S ist häufig geprägt von dem Gefühl:

Irgendwie immer, auch wenn "nur" innerlich, in Eile zu sein und doch nicht hinterher zu kommen. - In einem Zustand der ständigen Anspannung.
 

Diese 8 Symptome sind u.a. Gründe dafür:


1. Vergesslichkeit und Desorganisation


Die neurobiologischen Gegebenheiten eines AD(H)S-Gehirns bereiten Schwierigkeiten dabei, Dinge in bestimmter Abfolge zu erledigen, eine Struktur und Routine für alltägliche Aufgaben zu etablieren und einzuhalten. Planvolles, schrittemäßiges Vorgehen und hintereinander Abarbeiten von Aufgaben ist schwierig. So geschieht es oft, dass Wege mehrmals gegangen werden, weil z.B. etwas vergessen wurde oder ein Einfall (kurz mal Blumen gießen ;) dazwischenkamen.

(Ein Spitzname von mir war lange "Speedy Gonzales", und ich habe auch sehr oft den Spruch “ was man nicht im Kopf hat, hat man in die Beine. “ gehört ;)



2. Perfektionismus / Überkompensation


Dazu kommt, dass Frauen oft im Modus sind, es “richtig” machen zu müssen, statt es passend zu machen. Sie haben hohe Anforderungen an sich selbst und möchten gewissen “Standards” entsprechen, oder diese sogar übertreffen. Dabei spielen soziokulturelle Faktoren und die gefühlten Anforderungen der Gesellschaft und des eigenen Umfelds eine große Rolle.


Im Wunsch die Dinge perfekt zu machen, verzetteln sie sich oft, oder finden den Anfang nicht. Das kann sich im Arbeitsalltag und ebenso in der Haushaltsführung zeigen. Auch glauben Frauen mit AD(H)S oft etwas “wieder gut” machen zu müssen, weil sie z.B. etwas vergessen haben. Sie laden sich beispielsweise extra Aufgaben auf, die sie letztlich meist in einen Zustand der noch größeren Überforderung bringen.



3. Impulsives und risikohaftes Verhalten ist eher verdeckt


Impulsives Kaufverhalten, Alkoholkonsum zur “Entspannung” (auch allein) zählen dabei zu den riskanteren Verhaltensweisen. Menschen beim Sprechen zu unterbrechen, oder eine Unterhaltung einfach zu verlassen, sei es tatsächlich körperlich oder nur gedanklich (outzooning) sind auch Zeichen geringer Impulskontrolle.



4. Motorische Unruhe zeigt sich bei Frauen eher subtil bzw. wird häufig unterdrückt

Sie kann sich durch Skin Picking, an sich “rumpuhlen”, Lippe kauen aber auch durch starke körperliche Anspannung zeigen, um z.B. nicht mit den Füssen oder Beinen zu wippen.



5. Überempfindlichkeit gegenüber Kritik / Ablehnung, sowie Emotionale Dysregulation


Die neurologische Funktionsweise des AD(H)S-Gehirns hat einen geringeren Einfluss auf die Emotionsregulation, also die Fähigkeit emotionales Erleben willentlich zu beeinflussen (z.B. abzumildern). Das führt dazu, dass sehr schnell sehr viel Gefühl, starke Emotionen ausgelöst werden und als überwältigend empfunden werden. (Mehr dazu findest Du in meinem Artikel emotionale Dysregulation.)


Bei Frauen mit AD(H)S ist dieses Symptom häufig stärker ausgeprägt als bei Männern und sie erleben kritische Bemerkungen oder ablehnende Gesten als sehr verletzend. Dies kann leider schnell zu Konflikten und Missverständnissen z.B. in der Partnerschaft führen.



6. Internalisiertes, abwertendes Selbstbild


Die Schwierigkeiten im Alltag schreiben Frauen in erster Linie der eigenen Person zu, dem persönlichen und generellen “unfähig sein, ungenügend sein”. Sie haben deshalb oft ein stark negatives Selbstbild, was auch negative, selbst erfüllende Prophezeiungen begünstigt, also die vorangehende Annahme, etwas nicht zu können oder auf negative Reaktionen zu stoßen.



7. Reizoffenheit / Reizüberflutung


Die neurobiologischen Gegebenheiten des ADHS/ADS Gehirn führen zu einer erhöhten Durchlässigkeit von äußeren Reizen und schlechterer Filterung der Reize. Das bedeutet, Sinneseindrücke wie z.B. Geräusche, Gerüche und visuelle Eindrücke werden intensiver und unsortiert wahrgenommen. Frauen mit AD(H)S fällt es z.B. schwer in einem vollen Restaurant dem Gespräch ihres Gegenübers zu folgen, weil sie quasi alle anderen Gespräche im Raum auch hören und nicht ausblenden können.



8. Hyperfokus auf Menschen und Emotionen


Der Hyperfokus beschreibt (im Kontext ADHS) die extreme Konzentration auf etwas Bestimmtes. Bei Frauen mit ADHS/ADS kann sich diese extreme Konzentration auf Menschen, wie z.B. ein (neuer) Partner oder eine Person die Unterstützung braucht (helfen wollen, bis zur Selbstaufgabe) richten. Aber auch auf das eigene emotionale Erleben, was dazu führen kann, dass sie sich u.U. über Tage hinweg in einer Emotion verlieren und sich die Gedanken hauptsächlich um die Emotions-auslösende Situation kreisen.


-> Diese 8 Symptome sind natürlich nicht bei allen Frauen in gleicher Ausprägung vorhanden und die Liste lässt sich leicht um viele weitere Symptome ergänzen. Die Aufzählung soll nur einen ersten

Überblick verschaffen.



#3: Gründe, warum ADHS/ADS bei Frauen oft erst spät erkannt wird.

Frau mit AD(H)S
  • Bei Mädchen und Frauen zeigt sich der hyperaktive Typ seltener als bei Jungen und Männern. Da Menschen mit ADS (Verträumter-Typ) oft geringer körperlich sind, aber die Vorstellung von "ADHS" mit körperlicher Überaktivität verbunden ist, wird oft der Zusammenhang nicht (an)erkannt.


  • Auch gelingt es Mädchen und Frauen recht lang, kompensatorisches und sozial angepasstes Verhalten zu zeigen und aufrecht zu erhalten, allerdings mit sehr hohem Energieaufwand.


  • Der hohe Energieaufwand den Mädchen und Frauen aufbringen, um an sie gestellte Anforderungen zu erfüllen, wird von ihnen häufig als normal wahrgenommen. Erst bei veränderten Lebensumständen stellen sie fest, dass nun nicht mehr “viel Luft” nach oben ist und sie schon längst an ihre Grenzen gekommen sind.


  • Oft werden die Symptome von der Frau selbst erst als tatsächliches Problem wahrgenommen, wenn es zu großen Lebensveränderungen wie Mutterschaft, Studium, Eintritt ins Berufsleben oder Trennung/Scheidung kommt. “Bislang ging es irgendwie, nun ist es kaum noch bewältigbar.”


  • Die Diagnosestellung kommt bei Frauen häufig erst nach einer oder mehreren anderen Diagnosen z.B. Erschöpfungsdepressionen/ BurnOut.


  • Durch die Hormoneinflüsse schwankt das Symptombild und erschwert die Diagnostik.


#4: Unterschiede in der AD(H)S-Symptomausprägung | bei Männern und Frauen


AD(H)S bei Erwachsenen

Auch wenn wir uns schon ein großes Stück Richtung Gleichberechtigung bewegen, ist es beim Thema AD(H)S leider noch nicht sehr weit gekommen. Diagnosekriterien und Forschung orientieren sich leider noch stark an den Symptomausprägungen des "männlichen" ADHS.


Männer und Frauen haben auch immer noch eine unterschiedliche Lebensrealität. Gesellschaft und persönliches Umfeld stellen andere Anforderungen und legen unterschiedliche Bewertungskriterien an.


 

Die prägnantesten Unterschiede im Kontext ADHS/ADS zwischen Männern und Frauen:


  • Die Symptomausprägung kann bei Frauen niedriger sein als bei Männern, insbesondere bei den hyperaktiven-impulsiven Symptomen.


  • Die ADHS-Symptome werden bei Frauen häufig erst später im Leben offensichtlich bzw. als Problem wahrgenommen.


  • Die Symptome werden durch die weiblichen Hormonschwankungen über den Zyklus und durch Schwangerschaft stark beeinflusst, bei Männern zeigen sie sich viel konstanter.


  • Frauen mit ADHS neigen viel weniger als Männer mit ADHS zu offensichtlichen Verhaltensproblemen, sie “stören” ihre Umwelt weniger.


  • Dadurch, dass Frauen eher zu internalisierenden Störungen neigen, die Schuld bei sich selbst suchen, negative Emotionen “an sich selbst auslassen”, haben sie ein deutlich höheres Risiko für psychische Erkrankungen und neigen eher zu selbstverletzendem Verhalten als Männer.


  • Die AD(H)S-Problematik spielt sich eher im Inneren der Frau ab. Frauen sind oft besser in der Lage die Symptome durch Kompensationsstrategien oder Masking so zu verbergen, dass die tatsächlichen Symptome von der Umwelt als solche nicht wahrgenommen werden.


  • Männer externalisieren, Frauen internalisieren & maskieren - Männer leben "ihr ADHS" eher aus, Frauen versuchen es zu verstecken und erkennen oft nicht Stärken des ADHS. Es gibt zwei Seiten der Medaille AD(H)S; Frauen (er)leben oft nur die negative.


 

Quellen:

 


#5: Fazit

AD(H)S Psychoedukation

Nun scheint dieser Beitrag ein rein negatives Bild von ADHS / ADS bei Frauen herauszustellen. Ziel dieses Artikels ist es ja auch, auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen.

Doch bedeutet dies nicht, dass das Leben als Frau mit ADHS immer schlecht sein sein muss. Im Gegenteil!


Die neurobiologischen Gegebenheiten eines ADHS-Gehirns bringen auch viele Vorteile mit sich. Männer scheinen diese allerdings intuitiver und häufiger auszuleben als es Frauen tun.


Dieser Artikel soll eine Einladung an jede Frau sein, die die oben beschriebenen Herausforderungen kennt, sich mit selbst auseinander zusetzen, sich kennen zu lernen und auf Entdeckungsreise zu gehen.

Herauszufinden, welche Möglichkeiten und Wege es gibt den ADHS Herausforderungen mit mehr Leichtigkeit zu begegnen, um den persönlichen Stärken mehr Raum zu geben.


Da sich die Schwierigkeiten weniger auf der Verhaltensebene zeigen, bleiben (im Kontext ADHS) Verhaltenstherapien bei Frauen leider häufig erfolglos.


Psychoedukation und der Aufbau eines stabilen, positiven Selbstbildes sind Schlüsselfaktoren für ein erfülltes und selbstwirksames Leben als Frau mit AD(H)S.




Liebe Grüße, Deine Anja!!! 🙋‍♀️

 


#6: Meine Programme:



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